IHK-Webinar: So nutzen kleine Unternehmen TikTok erfolgreich für die Kundenkommunikation.

Bei der Kommunikation mit ihren Zielgruppen setzen viele Unternehmen längst nicht nur auf die klassischen analogen oder digitalen Wege. Selbst die digitalen Möglichkeiten differenzieren sich immer weiter auf. Zur den bekannten Werbeformen im Internet oder E-Mail-Marketing kommen Aktivitäten auf Social-Media-Plattformen. Neben dem Platzhirschen Facebook oder Instagram wird gerade das erst 2016 gestartete TikTok des chinesischen Konzerns ByteDance gehypt.

Das Portal für Musikvideos und kurze Videoclips etabliert sich mit rasantem Wachstum auch als soziales Netzwerk, dessen Wert Analysten auf 140 Mrd. US-Dollar taxieren. Damit wäre ByteDance das wertvollste nicht börsennotierte Unternehmen der Welt. Immerhin übertrifft TikTok sowohl Facebook, YouTube, Instagram und Snapchat als die am häufigsten installierte App. Im vergangenen Jahr übersprangen die weltweiten Downloads die Marke von einer Milliarde. Motor der Entwicklung sind die kurzen Tanzvideos sowie die Clips mit Comedy und Lippensynchronisation.

Das Erfolgsrezept liege in der „intuitiven Benutzung, exzellenten Algorithmen und snackable content“, resümiert Lisa Hutterer, Beraterin in Sachen digitales Marketing aus München. Der TikTok-Ton sei humorvoll, oft informativ und unterhaltsam, sagte sie beim Webinar „TikTok: Markenbildung und Kundenkommunikation als Chance für kleine Unternehmen“, das die IHK Nürnberg für Mittelfranken vor Kurzem veranstaltete. Die Plattform ist zunächst mit Kurzvideos mit 15 Sekunden Länge gestartet, hat dann 60 Minuten erlaubt und boomt nun mit Längen von drei bis zehn Minuten.

Ähnlich wie bei anderen Social-Media-Plattformen sind die User überwiegend jung und werden als Generation Z bezeichnet. Sie sind zwischen Ende der 1990er Jahre und 2010 geboren. In Deutschland, wo es mehrere Millionen TikToker gibt, stellen sie derzeit die Hauptzielgruppe. Laut Hutterer nutzt rund ein Drittel der Generation Z die App. Je älter die Menschen sind, desto rasanter nimmt die Benutzung ab. Die Generation Y (bis 40 Jahre) wird nur noch zu etwa 15 Prozent erreicht, sieben Prozent sind es noch bei der Generation X der bis 55-Jährigen. Babyboomer, Nachkriegsgeneration oder noch Ältere nutzen TikTok nur vereinzelt. Allerdings ist wie bei Facebook & Co. auch bei den Generationen Y und X ein weiterer Anstieg zu erwarten.

Schnell zur Kernaussage kommen

Das Potenzial von TikTok für werbende Unternehmen müsse allerdings immer vor den Hintergrund einer sinkenden Aufmerksamkeitsspanne gesehen werden, sagte Hutterer. Clips mit Intros, die zu langsam zur Kernaussage kommen, seien zum Scheitern verurteilt. Im Jahr 2000 sei man noch davon ausgegangen, dass das Interesse bei durchschnittlich zwölf Sekunden erlahmt sei. Aktuell werde schon nach acht Sekunden weitergeklickt bzw. weitergewischt.

Das verlangt von Unternehmen, die bei TikTok punkten wollen, dass sie ihre Aussagen stark fokussieren. Ein erfolgreiches Beispiel ist für sie der Herzogenauracher Sportartikelhersteller Adidas: Das Unternehmen hat beispielsweise eine kompakte Clip-Serie zu der Frage „How to say adidas?“ in zahlreichen Ländern der Welt als TikTok-Thema ausgewählt. Als weiteres Beispiel nennt sie die Edeka-Supermärkte, die als „@edekaausbildung“ regelmäßig die Themen „Wie bewerbe ich mich bei Edeka?“ oder „Edeka. Hier bleibe ich“ bespielen.

Laut Hutterer können sich aber auch „lokale Helden“, also etwa kleine und mittlere Unternehmen oder Institutionen, in der Social-Media-Plattform erfolgreich positionieren. Das gilt insbesondere dann, wenn man als Zielgruppe junge Leute erreichen sowie Wissenswertes und Unterhaltsames aus dem Unternehmen mitteilen will. Es kann aber auch ein Baustein sein, um dem Wettbewerb einen Schritt voraus zu sein und die Reichweite von Marke oder Produkt zu erhöhen. Der Weg zu TikTok verlange allerdings eine klare Social-Media-Strategie. Einfach mal starten und ausprobieren, hält sie für den falschen Ansatz. Vielmehr lohne es sich, die Konkurrenz auf TikTok in den Blick zu nehmen oder sich etwa als Substitutionsprodukt für ein erfolgreiches TikTok-Thema zu positionieren.

Den praktischen Part beim TikTok-Webinar der IHK übernahm das Fürther Bestattungsunternehmen Burger: Außer auf Facebook, Instagram, YouTube und anderen ist der Familienbetrieb mit seinen 20 Mitarbeitern seit Februar 2021 auch mit einem eigenen TikTok-Kanal (@bestattungenburger) präsent, berichtete Firmenchef Johannes Bauer, der sich mit seinen 43 Jahren eigentlich zur „Generation Facebook“ zählt. Immerhin identifiziert OMR, eine Wissens- und Inspirations-Plattform für die Digital- und Marketing-Szene in Europa, in seinen TikTok-Charts vom Februar den Bestatter als Nummer 1 in Sachen Reichweite. Demnach generierte der TikTok-Kanal mit seinen Videoclips insgesamt fast 16 Mio. Likes. Mit 1,45 Mio. rein organischen Views pro Post rankte OMR den Kanal @bestattungenburger auf dem ersten Platz der Brands. Vor drei Monaten zählte OMR über 750 000 User, die dem Fürther Betrieb folgten, Mitte April waren es bereits über eine Mio. Follower.

Bauer erklärt seinen Erfolg, den er gemeinsam mit seinem 16-jährigen Sohn Luis verbucht, mit seinen „Nischen- und Tabuthemen“. Sein erstes Video hatte er nur zum Spaß gepostet, verzeichnete damit aber gleich 15 000 Aufrufe. Heute berichten Vater und Sohn auf TikTok über Themen, die ihnen auf der Seele liegen, und gewähren kurzweilig einen Blick hinter die Kulissen ihres Betriebs. Es geht um Dinge, die man beim Bestatter findet, wie eine Verbrennung funktioniert und viele andere Fragen. Luis Bauer berichtet auch mal live aus dem Leichenwagen oder von bewegenden und unsicheren Momenten. Oder ein Kurzclip behandelt die Frage, ob man einen Leichenwagen auch zum Einkaufen nutzen kann.

Reine Produktwerbung nicht gefragt

Die Devise bei allen Videos lautet: „Mehrwert und Infos kostenlos bieten“. Reine Produktwerbung funktioniere nicht, vielmehr setzt Bauer auf Bekanntheit durch das besondere Infotainment. Das könne sich am Ende aber auch auszahlen: „Wenn die Kunden etwas brauchen, kommen sie zu uns.“ Bestenfalls könne man auf den eigenen Online-Shop verweisen, der über 100 Produkte rund um Trauer und Erinnerung enthält. Da finden sich etwa handgearbeitete Mini-Urnen oder diverser Körperschmuck mit dem Fingerabdruck eines Verstorbenen.

Aus eigener Erfahrung rät Bauer Neueinsteigern bei TikTok, die Richtlinien „genau durchzulesen und sich daran zu halten“. Beim TikTok-Start war sein Sohn Luis nämlich erst 15 Jahre alt und verstieß damit gegen das Mindestalter von 16 Jahren für Live-Postings. Die TikTok-Algorithmen haben diese dann einfach gesperrt. Außerdem sollte man nicht dieselben Inhalte auf mehreren Social-Media-Plattformen verwenden: Zum einen merkten das die Nutzer, bei denen dieses Vorgehen unbeliebt sei. Zum anderen habe jede Plattform eigene Anforderungen. Das TikTok-Video wird hochkant aufgenommen, während bei YouTube Filmchen im Querformat und bei Instagram mehr Fotos gefragt sind. Um neue Mitarbeiter zu gewinnen, setzt der Bestatter lieber auf Facebook oder klassische Print-Stellenanzeigen.

Die Erfolgsmessung der TikTok-Aktivitäten hänge von den Zielen ab, die die Unternehmen damit verfolgen, sagte Hutterer. Je nach Marketing-Ziel komme es mal auf Reichweite, mal auf die erreichten Follower an. Auch ein Vergleich mit direkten Konkurrenten könne eine Benchmark und eine Orientierungshilfe sein.

Für interessierte Firmen gibt es zahlreiches Anschauungsmaterial von Unternehmen, die sich auf TikTok inszenieren – einige davon aus Mittelfranken: So stellen beispielsweise die beiden Sportartikelhersteller Adidas (2,1 Mio. Follower) und Puma (1,8 Mio. Follower) aus Herzogenaurach dort ihre Unternehmen und Marken vor. Von den Schreibgeräte-Herstellern aus Mittelfranken präsentieren sich Faber-Castell aus Stein (135 000 Follower) und Schwan-Stabilo aus Heroldsberg (@stabilo, 106 000 Follower). Sie zeigen spielerisch das Spektrum an Stiften und Farben sowie Maltipps. Faber-Castell ist zusätzlich mit seiner Paintmarker-Marke Posca (@poscaofficial, 7 500 Follower) bei TikTok vertreten.

Fackelmann, der Hersbrucker Hersteller von Küchenutensilien (500 Follower), zeigt Küchentricks und Rezepte, die mit seinen Produkten hergestellt werden. Unter dem Hashtag #chefkochtrifftfackelmann finden sich zusätzlich viele Rezepte als Werbung für die Online-Marke der Hersbrucker. Die Sparkasse Nürnberg hat zwar schon ihren Account gesichert, aber noch keine Videos gepostet. Das hat immerhin schon zu 37 Followern und 21 Likes geführt. Die Reservierung kann für die Markenführung durchaus sinnvoll sein, denn hinter @uvex-official verbirgt sich nicht die Fürther Uvex-Gruppe, sondern private Alltagsclips eines Jugendlichen.

In der Kritik steht TikTok allerdings, weil sich auf dieser Plattform Fake News besonders schnell zu verbreiten scheinen. Zum #ukrainewar fanden sich zuletzt eine Milliarden Posts, das war etwa das Tausendfache von den Posts auf Instagram. Das Problem für Unternehmen kann darin liegen, dass User sich durch die Firmenclips wischen und sich plötzlich mit Kriegsvideos – mit oder ohne zweifelhafte Herkunft – konfrontiert sehen. Das US-Medienunternehmen Newsguard hat in einer Untersuchung festgestellt, dass neue Nutzer im Durchschnitt innerhalb von 40 Minuten falsche oder irreführende Inhalte angezeigt bekommen. Auch dieser Aspekt sollte von Unternehmen bedacht werden, die TikTok für die Kundenkommunikation nutzen möchten.